Hallo zusammen,
ich hoffe, ihr habt etwas Zeit zum Lesen mitgebracht, denn der nun folgende Bericht, den ich mir in den letzten zwei Tagen zusammengetippt habe, ist nun doch ganz schön lang geworden. Ich hoffe, er gefällt trotzdem und regt vielleicht zum Bau einer eigenen Barndoormontierung an.

Und los geht´s ...
Am Wochenende kam ich endlich mal dazu, mir auch eine Barndoormontierung zu bauen. Es wurde auch langsam Zeit, da ich im Juli nach Kroatien in den Urlaub fahre. Da ich nur alle paar Jahre mal soweit Richtung Äquator fahre, möchte ich diesmal auch gern meine EOS1000D mitnehmen und ein paar Übersichtsaufnahmen schießen, zumal ich dort laut Stellarium auch die Möglichkeit hätte, mal den Skorpion in Gänze zu sehen und auf den Chip der Kamera zu bannen.
Als Freund einfacher (Bastel-)Lösungen, fand ich eine Barndoormontierung auch schon immer sehr reizvoll, hab mich aber bisher nie an´s basteln einer solchen gemacht, da keine wirkliche Notwendigkeit bestand. Wenn ich hier zum Beobachten rausfahre nehme ich immer meine LXD-75 mit, wenn ich fotografieren will. Da wir im Sommer aber mit fünf Leuten im PKW nach Kroatien fahren, muss ich schon gut überlegen, was ich mitnehmen kann. Und so eine Barndoor ist da eben doch wesentlich kompakter als eine Montierung der EQ-5-Klasse.
Da ich vor 4 Jahren mal
Bekanntschaft mit einer Purus-Montierung gemacht habe und diese Variante der Nachführung mit einem Uhrwerk schon damals richtig klasse und u(h)rig fand, gefiel mir auch gleich die Eieruhr-Barndoor, die Woddy hier im Forum vorgestellt hat.
Dem Andreas möchte ich hier zum einen für die
Vorstellung seines Nachbaus danken (wie hast Du den australischen Link überhaupt gefunden???), ohne die ich garnicht auf diese Konstruktion aufmerksam geworden wäre. Zum anderen Danke ich ihm aber auch dafür, dass er mir die Drehachse für meine Eieruhr und eine Alu-Adapterplatte mit Fotogewinde angefertigt, bzw.überlassen hat, damit ich die Barndoor auf meinem Fotostativ montieren kann und mir auch noch ein Stück Angelschnur dazugelegt hat. VIELEN DANK WODDY!
Folgendes Material habe ich mir besorgt, um die Barndoor bauen zu können:
1m Alu-Vierkantrohr 50x20mm
1 Stück Klavierband (Scharnier)
1 Eieruhr 60 Minuten
Zusätzlich habe ich von Woddy zugeschickt bekommen:
1x Messing Drehachse D= 12mm, zum Aufstecken auf den Drehknopf der Eieruhr
Angelschnur D= 0,7mm
Aluplatte mit Fotogewinde und vier Befestigungslöchern zur Montage der Barndoor am Fotostativ
Aus meinem Sammelsurium kamen noch zum Einsatz:
Reststück Alu-U-Profil zur Montage des Suchers
10 Schrauben M3 20mm
2 Schrauben M3 25mm
3 Muttern M3
1 Rändelmutter M3
4 Senkkopfschrauben M4
Kugelkopf zur Montage der Spiegelreflexkamera
Metallstange als Gegengewichtstange D= 14mm L= 200mm
1 große Mutter (M20?) und große Unterlegscheiben als Gegengewichte
1 altes Sucherfernröhrchen (5x24) mit Fadenkreuz als Polsucher
Am Samstag Nachmittag ging es dann mit der
australischen Bauanleitung draußen vor dem Haus bei prallem Sonnenschein los und mit ein paar Päuschen zwischendurch war ich am frühen Abend erstmal soweit fertig. Um mal zu schauen wie es sich mit dem Gleichgewicht der Konstruktion verhält, habe ich alles zusammengebaut und die EOS mit dem 18-55mm Kitobjektiv montiert. Wie erwartet, brauchte ich noch ein verstellbares Gegengewicht. Beim durchforsten meiner Bastelecke fand ich eine ca. 20cm lange Metallstange, die ich noch von einem Deckenventilator als Abstandhalter für dessen Montage über hatte. Am Sonntag Morgen habe ich das Teil dann noch verbaut. Für einen besseren Sitz habe ich diese Stange noch mit Isoband umwickelt. Allein das Verschieben dieser Stange im Alu-Vierkantrohr macht schon ´ne Menge aus, reicht aber nicht, sodass ich noch eine große und schwere Mutter und ein paar Unterlegscheiben als Zusatzgewichte anlegen kann, so wie aus dem Foto zu sehen.
Hier die Konstruktion, wie sie aktuell aussieht und in der letzten Nacht zum ersten Mal zum Einsatz kam.

Mal aus der Nähe aus Richtung Norden betrachtet ...

... und von der entgegengesetzten Seite ...

Aber wie funktioniert so ein Teil, bzw. wie konstruiert man sowas?Im Folgenden möchte ich daher gern noch auf die Funktion und die notwenige Berechnung der Teile eingehen. Dazu habe ich ein Foto mit entsprechenden Buchstaben und Maßen versehen. Man könnte zwar einfach die Daten der australischen Beschreibung übernehmen, was aber, wenn man z.B. nicht in der Lage ist eine 12mm-Achse zu bekommen oder zu basteln, auf die sich die Angelschnur aufrollt und man eine Achse mit anderem Maß nehmen muss?
Außerdem muss beim Bau berücksichtigt werden, dass wir uns hier in Europa auf der Nordhalbkugel befinden, Australien aber nicht ohne Grund auch „Down Under“ genannt wird und sich auf der Südhalbkugel befindet. Das heißt, dass der Ablauf der Bewegung der Barndoormontierung auf der Nordhalbkugel genau entgegengesetzt funktionieren muss, als auf der Südhalbkugel. Schaut man sich die Skizze des australischen Berichtes an, dann sieht man, dass die aufgezogene Eieruhr das Aluprofil während des Fotografierens ran zieht. Auf meinen Fotos kann man sehen, dass das Aluprofil beim Aufziehen der Eieruhr herangezogen wird und sich beim Ablaufen der Uhr, also während des Fotografierens, von der Uhr wegbewegt.
Die Ermittlung der Maße:Hierbei geht es in erster Linie um die möglichst perfekte Nachführung, also das möglichst exakte Erreichen der Geschwindigkeit der Erdumdrehung, um bei der Langzeitbelichtung des Sternenhimmels die Selbige zu kompensieren und auf den Aufnahmen möglichst punktförmige Sterne zu bekommen. Um eines schon mal vorwegzunehmen: Diese Konstruktion wird eine perfekte Nachführung über die 60 Minuten nicht zulassen, egal wie gut man gerechnet, konstruiert und gebaut hat. Warum? Das zeige ich an späterer Stelle auf.
Nun aber erst mal zur Ermittlung der Maße des in meiner folgenden "Skizze" rot gezeichneten Dreiecks.

Beginnen muss man an einer Stelle und zwar dort, wo ein Maß aufgrund eines Bauteils vorgegeben ist. In meinem Fall war es die Messingdrehachse mit dem Durchmesser von D = 12mm, auf die sich die Angelschnur beim Aufziehen der Eieruhr aufrollt.
Da es sich bei der Eieruhr um eine Uhr mit 60 Minuten Laufzeit handelt, bedeutet dies, dass sich die Angelschnur in den 60 Minuten um die Länge x von der Drehachse abwickelt. Um diese Länge x zu bestimmen nimmt man die Formel des Kreisumfangs
U = D x π.
Für D muss man zum Durchmesser der Achse noch den Durchmesser der Angelschnur hinzurechnen. Damit ergibt sich für D ein Maß von 12,7mm. Setzt man das in die Formel ein
U = 12,7mm x π
So ergibt sich ein Kreisumfang von
U = 39,9mm
Dieser Umfang entspricht genau der Länge, um die sich die Angelschnur in 60 Minuten Laufzeit der Eieruhr abrollt. In dem roten Dreieck meiner Skizze wird diese Länge durch die Seite a dargestellt.
Nun zum orange gekennzeichneten Drehwinkel α. Dieser Winkel ist der, um den sich das Aluprofil innerhalb der 60 Minuten Laufzeit der Eieruhr bewegt. Diese Bewegung muss genau der Entsprechen, mit er sich die Erde in gleicher Zeit um ihre Achse, den Himmels(nord)pol bewegt.
Dazu folgende Überlegung. Eine komplette Umdrehung der Erde um ihre eigene Achse entspricht einer Kreisbahn mit einem Drehwinkel von 360°. Wie lange dauert eine Umdrehung? Genau, nicht 24 Stunden (obwohl diese Annahme bei dieser Konstruktion wahrscheinlich genau genug wäre), sondern eben nur 23 Stunden, 56 Minuten und 4 Sekunden. Vernachlässigen wir die 4 Sekunden und rechnen den Rest in Minuten um, so ergibt sich, dass sich die Erde in 1.436 Minuten einmal um seine Achse gedreht hat. Diese 1.436 Minuten entsprechen den 360° Drehwinkel des vollen Kreises.
Da das Uhrwerk der Eieruhr für eine Umdrehung nur 60 Minuten benötigt, und wir folglich mit dieser Uhr nur maximal 60 Minuten am Stück nachführen, also die Erddrehung kompensieren können, müssen wir ermitteln, welchen Drehwinkel die Erde in der Zeit zurücklegt. Dies geschieht ganz einfach mit dem Dreisatz, bzw. der Anwendung folgender Formel:
360° : 1.436 Minuten x 60 Minuten = 15,04°
Dieser (Erd-)Drehwinkel entspricht dann auch genau dem Winkel α in dem roten Dreieck meiner Skizze. Das heißt, das durch die Angelschnur bewegte Aluprofil der Barndoormontierung muss in 60 Minuten einen Drehwinkel von 15,04° zurücklegen, was der Winkelgeschwindigkeit unserer Erde entspricht.
Dort wo die Seiten b und c meines roten Dreiecks verbunden sind, sitzt das Klavierband (Scharnier). Nun gilt es zu ermitteln, an welcher Stelle die Angelschnur am sich bewegenden Aluprofil befestigt werden muss. Das heißt die Länge der Seite b meines roten Dreiecks muss bestimmt werden. Dies geht mit folgender Formel eines Gleichseitigen Dreiecks.

Setzt man hier für a die oben ermittelten 39,9mm der sich in den 60 Minuten abrollenden Angelschnur ein und für „alpha“ den zuletzt ermittelten Drehwinkel α mit 15,04°, dann ergibt sich für die Länge der Seite b
b = 152,44mm
Die Länge der Seite b entspricht auch der Länge der Seite c und auch der Länge der gelb gezeichneten Strecke d. Die Strecke d bestimmt den Punkt, wo sich die Angelschnur von der Drehachse abwickelt. Zieht man von der Strecke d den Radius der Drehachse und den halben Durchmesser der Angelschnur ab und misst die Höhe der Eieruhr vom Boden bis zur Mitte der Drehachse kann man über den Satz des Pythagoras (c²=a²+b² ) ganz einfach den Punkt berechnen, auf dem die Eieruhr auf dem waagerechten und fest mit dem Fotostativ verbundenen Aluprofil montiert werden muss.
Wie etwas weiter oben bereits angesprochen, kann diese Konstruktion nicht über die 60 Minuten Laufzeit der Eieruhr perfekt nachführen, was natürlich auch an dem billigen Aufbau der Mechanik liegt, nicht zuletzt aber auch daran, dass die Annahme die Seiten b, c und d aus der Skizze wären gleich lang, in der Praxis nicht stimmen kann. Dazu müßte die Angelschnur nicht als Gerade zwischen dem Aluprofil und der Eieruhr verlaufen, sondern müßte eine teilkreisförmige Bewegung durchführen. Für die Nachführung von kleinen Brennweiten über ein paar Minuten sollte es aber reichen, wie ein erster Test auch bereits beweisen konnte. Dazu aber später mehr ...
Die restlichen Maße habe ich beim Bauen der Barndoormontierung einfach „nach Gefühl“ und Vorstellung festgelegt. Sie haben auf die Funktion der Barndoor nur in so fern eine Bedeutung, dass man im Betrieb erreichen muss, dass das bewegliche Aluprofil mit montierter Kamera und eventuell Zuhilfenahme eines Gegengewichts, nur eine ganz minimale Zugkraft auf die Eieruhr ausgeübt wird, da die Eieruhr ja eigentlich nicht dafür ausgelegt ist Lasten zu bewegen.
Für die Montage des Sucherfernröhrchens zur Einstellung der Barndoor auf den Himmelspol, muss man nun noch darauf achten, dass der Sucher exakt parallel zum Klavierband, also der Drehachse der Barndoor montiert wird. Wo man den Sucher unterbringt ist ansonsten egal. Ich habe für die Montage ein Reststück Alu-U-Profil verwendet und dieses beim Anschrauben an das Vierkant-Aluprofil mit einem Anschlagwinkel ausgerichtet.
Der erste Test:Gestern Abend konnte ich die Barndoor dann zum ersten Mal testen und ich muss sagen, dass sie wirklich erstaunlich gut funktioniert. Noch während der Dämmerung und bei durchziehenden Wolken machte ich die erste Aufnahme mit 18mm Brennweite mit 60 Sekunden Belichtungszeit. Das Ergebnis war ganz o.k., sodass ich gleich beschloss, für die folgenden Belichtungen mal auf 180 Sekunden Belichtungszeit zu gehen.
Da es noch längst nicht richtig dunkel war, stellte ich die Empfindlichkeit auf ISO 100 und die Blende auf f/6,3 ein. Während ich das Gesamtfoto auf 800 Pixel Seitenlänge verkleinert habe, zeigt der kleine Ausschnitt ε Lyra, den Vierfach-Stern im Sternbild Leier, als 200%-Crop. Bei der geringen Brennweite sind die beiden engen Sternpaare natürlich nicht getrennt zu sehen.

Danach schwenkte ich die Kamera mal von Ost nach West und hielt grob auf das Sternbild der Großen Bärin. Da das Ergebnis beim vorherigen Foto noch immer ganz o.k. war, ging ich nun auf 300 Sekunden Belichtungszeit, ebenfalls mit ISO100 aber mit noch weiter geschlossener Blende f8. Der Bildausschnitt mit dem einen Stern zeigt ein 400%-Crop.

Nach weiteren nicht verwertbaren Belichtungen beschloss ich mein altes Porst 135mm Teleobjektiv mal mit der Barndoor auszuprobieren. Hierbei hielt ich wieder auf das Sternbild Leier, das bei 135mm gerade so ins Bildfeld passt. Im folgenden ist ein Summenbild aus 4 Belichtungen á 60 Sekunden mit ISO400 und Blende f/5,6 zu sehen. Die Bildausschnitte (rechts der Ringnebel
M57) sind 100%-Crops.

O.k., die Sterne werden nicht immer 100%ig "perfekt", aber dennoch kann man sehen, wie gut so ´ne billige Eieruhr nachführen kann. Ein bisschen Ausschuß gab´s bei den Fotos natürlich trotzdem. Aber es geht schon ganz schön was, wie ich finde.
Abschließend kann ich also sagen, dass ich richtig begeistert darüber bin, dass man mit solch einer preisgünstigen und nicht so schwer nachzubauenden Lösung schon richtig nette Langzeitbelichtungen des Sternenhimmels machen kann. Wichtig ist natürlich, dass es möglichst windstill ist, eine gute Einnordung UND eine gute Ausbalancierung erreicht wurde - wie gesagt, das Profil darf nur ganz minimal an der Eieruhr ziehen, sonst läuft diese zu schnell. Man kann das durch die Kontrolle des Tickens mit dem Gehör eigentlich ganz gut erkennen, wenn die Uhr zu stark belastet wird und dadurch etwas schneller läuft. Die Balance lässt sich mit der rausziehbaren Gegengewichtsstange und den zusätzlich als Gewichte dienenden Mutter und Unterlegscheiben auch recht gut einstellen.
So, ich hoffe der Bericht war nicht zu lang und hat ein wenig Freude gemacht und vielleicht auch bei dem ein oder anderen die Lust zum Bau einer Barndoormontierung geweckt.
Gruß und klaren Himmel
Heiko
Bearbeitet vom Benutzer Dienstag, 11. Juni 2013 22:52:19(UTC)
| Grund: Nicht angegeben